Ausstellung im Kultur Bahnhof Eller Meine Damen und Herren, Sukyun Yang und Insook Ju befassen sich in ihren multimedialen Arbeiten immer wieder mit den neusten Errungenschaften der Technik. Sie stellen uns die faszinierenden Möglichkeiten der schönen, neuen digitalen Welt vor und sie nutzen die aktuellsten Computer-Programme für ihre Produktion von Kunst. Der bewohnbare Raum fasziniert die beiden Künstler als ganz besonders lohnenswertes Forschungs-Objekt. Und sie selbst agieren und bewegen sich in virtuellen Räumen, die das Nonplusultra eines futuristischen Lifestyles darzustellen scheinen. Um Sein und Schein dreht sich alles in dieser aus realen und virtuellen Bildern geschaffenen Kunstwelt. Wo endet die Wirklichkeit, wo beginnt die konstruierte Realität? Vor manch einer der hier vorgestellten Arbeiten ist diese Frage nur schwer zu beantworten. Ohne Zweifel: Am Anfang steht das Künstlerpaar selbst – ganz real mit einer ganz realen, interessanten Biografie. Im nächsten Schritt begegnen uns beide als Akteure oder Statisten auf einem ihrer verblüffenden Panoramafotos. Danach werden die Körper exakt vermessen und in virtuelle Figuren verwandelt, die mechanisch joggen oder im Computerrhythmus über den Bildschirm tanzen. Und ganz neu, erst hier anlässlich des Sommerateliers im Kulturbahnhof Eller entstanden, sind die penibel, fast mathematisch aus Papier konstruierten Porträtplastiken der beiden Künstler. Als dreidimensionale Erscheinung treten die Kunstfiguren jetzt also wieder in den realen Raum ein. Bereits im Jahr 1963, lange bevor Computer Teil unseres Alltags und unseres Bewusstseins wurden, formulierte der amerikanische Pop-Art-Künstler Andy Warhol den berühmten Satz: "I want to be a machine." (Ich möchte eine Maschine sein.) Warhol wusste, dass Maschinen Objekte sind, die man fürchten und bewundern kann. Maschinen sind zu Operationen in der Lage, die die Leistungsfähigkeiten des Menschen weit übertreffen. Die utopische Vorstellung, man könne sich in eine übermenschliche Maschine verwandeln, findet man wohl auch in den Arbeiten dieser Ausstellung. Der Gedanke, das Unvollkommene der menschlichen Existenz zu überwinden, die Suche nach Perfektion mag da eine Rolle spielen. Dabei würzen Sukyun Yang und Insook Ju ihre virtuelle Daseinsschau mit einer erfrischenden Prise Ironie. Wenn sie sich während einer Performance in glitzernden Leuchtdiodenkostümen präsentieren oder als ausgeflippte Computerfiguren über den Bildschirm tanzen, dann ahnt man, dass sie die technischen Verlockungen einerseits bejahen, dass sie gleichzeitig aber eine gewisse ironische Distanz wahren möchten. Im vielgestaltigen Arbeitsprogramm des koreanischen Künstlerpaars ist die Untersuchung der "Wohnsituation" von zentraler Bedeutung. In keinem anderen Bereich lässt sich ja präziser nachweisen, wie Menschen in ihrer Zeit, unter den gegebenen Bedingungen leben. Einige ihrer Multimediaskulpturen bezeichnen sie sogar ausdrücklich als „Möbel“. Aus Buchenholz besteht zum Beispiel das Gehäuse, das eine Bilderfolge ummantelt, die aus Panoramafotografien und zwei animierten Alter Egos besteht. Es geht nicht nur um animierte Bilder, es geht den beiden immer auch um die Wirkung in den realen Raum, in unsere Realität hinein. Wie wirkt sich die neue Technik auf das ganz alltägliche Leben der Menschen aus? Erleichtert sie unser Leben, oder macht sie uns nicht doch zu Sklaven, zu Benutzern, die sich bewusst oder unbewusst den vorgebenen Funktionsanweisungen anpassen? Wenn man in manchen Großstädten beobachtet, dass kaum noch ein Passant ohne Mobiltelefon oder Totalverkabelung über die Straße geht, begreift man, dass die technischen Geräte den menschlichen Körper schon längst wie Ersatzteile begleiten. Die Funktionen des Körpers, auch die Gehirnfunktionen verändern sich so. Im Ambiente ihrer eigenen Wohnsituation haben Sukyun Yang und Insook Ju vielfältige Aspekte der faszinierend neuen Lebenswelt künstlerisch thematisiert. Der Betrachter kann sogar als Besucher in das interaktive Projekt einsteigen. Er darf das virtuelle Wohnzimmer und die Küche besichtigen, dort einen Blick in den Kühlschrank riskieren und nachher noch Videos anschauen, die er sich selbst per Mausklick aus dem digitalen Regal gezogen hat. In der Welt von Sukyun Yang und Insook Ju existiert offenbar alles doppelt. Mal in der greifbaren Realität und dann noch einmal in der virtuellen Kopie. Die beiden Künstler fotografieren Menschen in ihren wirklichen Wohnungen und sie erschaffen künstliche Wohnräume, die gleichermaßen als Abbild und Vision angesehen werden können. Zugleich stellen sie in ihrer Arbeit aber die Frage, wie Menschen sich wohl verändern, die in dieser funktionalen Umgebung leben, wohnen, arbeiten, sich bewegen. Ohne Veränderung und Anpassung funktioniert die schöne neue Lebenswelt nämlich nicht. Als Trainingsprogramm kommt wohl nur die Methode in Betracht, die die beiden Künstler selbst praktizieren: Nur wer die Technik beherrscht, kann sich von ihren Zwängen befreien, kann sogar mit ihr spielen. Das ist in der Literatur ganz ähnlich: Wer eine Sprache beherrscht, der kann auch mit ihr spielen. So entsteht dann - mit etwas Glück und Talent - ein Stück Poesie. Und vielleicht gelingt es Sukyun Yang und Insook Ju deshalb so virtuos, aus den digitalen Datenbanken solch eindrucksvolle Poesie-Funken zu schlagen. Klaus Sebastian